Was denkt ihr, gibt es langweilige Lebensgeschichten?
Wenn ich an einer Bushaltestelle stehe und warten muss, beobachte ich die Menschen. Woher kommen sie? Wohin gehen sie? Was ist ihre Geschichte? War heute ihr Glückstag oder wurden sie vielleicht gerade verlassen oder gefeuert? Was ist wohl das schlimmste Geheimnis dieses Menschen, der da neben mir steht? Ich male mir dann gerne eine Geschichte aus. Dann habe ich das Gefühl das ich die Menschen besser verstehe. Habt ihr das auch schon gemacht?
Wenn man neue Leute kennenlernt, ist es manchmal schwierig sie zu verstehen. Oder ihre Art oder Handlungen nachvollziehen zu können. Nicht so, wenn man ihre Geschichte kennt. Ich liebe es zu erfahren, was diesen Menschen zu dem gemacht hat, was er heute ist. Ich möchte verstehen, warum du tickst wie du tickst. Ich möchte mich in dich hineinversetzen. Ich möchte erfahren woher deine Ängste kommen.
Manchmal sieht man jemanden auf der Strasse und denkt sich, komischer Vogel? Würde man dann seine Geschichte hören, würde man sich schrecklich schämen oder zumindest nachvollziehen können, warum ein Mensch so ist, wie er heute ist. Ein kleines Beispiel: Da wo ich aufgewachsen bin, gab es einen Typen, der immer am Bahnhof rumhängte, immer mit einem Bier in der Hand und halt irgendwie ein bisschen an der Gesellschaft vorbei lebte. Viele in der Stadt kannten ihn, ich bin mir sicher in jeder Stadt gibt es eine Figur wie ihn. Wir waren jung und haben uns zwar manchmal mit ihm unterhalten, jedoch nicht so ernst genommen und uns leider Gottes manchmal auch über ihn lustig gemacht. Teenager können manchmal so brutal gemein sein. Eines Tages sprach ich mit einem Freunde über ihn. Er erzählte mir, dass sein Vater mit ihm früher zur Schule ging. Als dieser Mann in jungen Jahren seine tote Mutter auffand, ging sein Leben bergab, er fing an zu trinken und verlor den Anhang zur Gesellschaft. Auch wenn ich der Meinung bin, dass es keine Ausreden gibt und man sein Leben selbst in die Hand nehmen kann, war es für mich eine gute Lektion nicht mehr über Menschen zu urteilen, wenn ich nicht einmal ihre Geschichte kenne. Ich schämte mich. Wenn danach jemand schlecht über ihn sprach, nahm ich ihn in Schutz, weil ich Mitgefühl hatte. Aber musste ich erst seine Geschichte kennen, um dieses zu spüren? Hätte ich es mir nicht einfach denken können, dass er sein Gründe hatte, so zu sein?
Wenn wir also eine Person nicht kennen und uns dabei erwischen, wie wir uns ein Urteil erlauben, warum denken wir uns dann nicht eine Geschichte zu dieser Person aus, welche für uns plausibel klingt, um Verständnis zu haben. Bestimmt, haben sie Gründe, so zu sein wie sie sind. Genau wie wir alle. Auch wir wünschen uns Verständnis. Auch wenn diese Person randständig ist oder nicht in die Gesellschaft passt, ist diese Person selten dumm oder ein schlechter Mensch. Wir wissen das. Aber warum vergessen wir es so oft?
Es tut ehrlich weh, wenn ein Bettler morgens bei der Tramstation vorbei kommt und nach Geld fragt und die Leute ihn wie ein Monster behandeln, sich wegdrehen und ihm nicht einmal ins Gesicht schauen können. Wovor habt ihr Angst? Ihr müsst ja auch kein Geld geben, aber ein Lachen oder ein paar nette Worte, ein kleines Mass an Menschlichkeit sind doch nicht zu viel verlangt.
So lernte ich es zu lieben, die Geschichten der Menschen.
Erzähl mir deine Geschichte, wenn du magst. Ich bin gespannt.
In Liebe eure Nana 🌚🌝
Kommentar schreiben